Der folgende Artikel erschien am 23.8.2002 im Bonner General-Anzeiger
„Er hat eine totalitäre Machtstellung“
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Leiter der Bonner „Universität Bibel Freundschaft“ – Erzieherinnen, Nachbarn und Mitglieder berichten von vernachlässigten und geschlagenen Kindern
Von Dagmar Blesel
Bonn. Etwas versteckt, aber doch auffällig zwischen den Gewerbetrieben liegt der riesige Bungalow. An Haupt- und Seiteneingang Schilder: Universität Bibel Freundschaft. Hinter den Mauern treffen sich koreanische und deutsche Mitglieder der Studentenorganisation University Bible Fellowship (UBF) regelmäßig zu Veranstaltungen.
Treffpunkt für UBF-Mitglieder ist in Bonn unter anderem dieser Bungalow. Der Leiter der Glaubensgemeinschaft ist vor einigen Monaten in das Haus gezogen. Foto: Malsch
Leiter der Bonner UBF ist der Koreaner Peter Chang. Und gegen den ermittelt seit Herbst 2001 die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Körperverletzung.
Chang gilt nach den Worten von Andrew Schäfer, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, „als Hardliner zwischen Loyalisten und Reformern der UBF“. Chang hat für ihn eine „totalitäre Machtstellung“ in der Bonner Gemeinschaft.
Bereits in den 80-er Jahren kamen Gerüchte auf, UBF-Mitglieder vernachlässigten ihre Kinder. Das Jugendamt wurde informiert, weiß Schäfer, es habe auch Untersuchungen gegeben. Ergebnisse sind allerdings nicht bekannt. Dem Jugendamt, so versicherte am Freitag eine Sprecherin der Stadtverwaltung, sei UBF durchaus ein Begriff. Man begegne der Organisation mit „präventiven Maßnahmen“, hieß es dazu aus dem Amt.
In Zeiten des Internets, berichtet Schäfer, machten Reformwillige seit kurzem das öffentlich, was sich bis dahin hinter Mauern und von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen abgespielt haben soll. Zu den Berichten sagt der Sektenbeauftragte: „Ich halte sie durchweg für glaubhaft, denn es geht den Klageführenden in keinem Fall um eine Abrechnung mit dem, was sie etwa durch Ausstieg hinter sich gelassen haben, sondern um ein ernstes Bemühen, die UBF von innen her zu reformieren.“
Auf der Dortmunder UBF-Homepage schreibt eine Frau: „M. Peter erzieht die Kinder ... mit Gewalt. Als das Kind (gemeint ist ihr Sohn) vor der Tür winselte, schlug er das Kind an seinen Füßen den ganzen Abend, bis es erschöpft war, und auf dem Boden einschlief. Er meinte, dass er es dadurch zur Ergebung führen wollte, weil der böse Geist so aus ihm ausgetrieben worden sei.“
Und weiter: „Der erste Sohn von Jakob und Sara ... stieß sich oft mit seinem Kopf aus Langeweile gegen die Wand, wenn seine Eltern ihn allein zu Hause ließen.“ Das sei Nachbarn bekannt geworden, und die hätten Anzeige bei der Polizei erstattet.
Andrew Schäfer ist Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland. Foto: GA
Dass die Polizei das eine oder andere Mal über Vernachlässigung von Kindern – die Eltern sind mit Gottesdiensten, Bibelstudium, Versammlungen und schriftlichen Berichten beschäftigt – informiert wurde, bestätigte die Behörde.
Ein Polizeisprecher sagte zum GA, Bürger hätten einem Bezirksbeamten gesagt, Kinder wären der Jahreszeit entsprechend nicht richtig angezogen. Es sei Winter gewesen und die Kinder liefen barfuß oder mit kurzen Hosen draußen herum.
Auch Kindergärtnerinnen bestätigen das. Sie haben festgestellt, dass bis vor ein, zwei Jahren Kinder der UBF eine ganze Woche lang in verschmutzter Kleidung herumliefen. Als ein Kind einmal sehr krank in den Kindergarten gekommen sei, hätten die Erzieherinnen vergeblich versucht die Eltern zu informieren.
Schließlich habe man Chang erreicht, und „nach mehrfachem Drängen“ sei das Kind nach zwei Stunden abgeholt worden. Mittlerweile sei das zwar besser geworden, doch die Kindergärtnerinnen sprechen nach wie vor von Verhaltensauffälligkeiten der Kinder: „Sie schreien, sind aggressiv.“
Nachbarn von UBF-Mitgliedern ist das ebenfalls aufgefallen: „Die Kinder sind verängstigt, in ihrer Entwicklung gestört.“ Selbst gesehen haben die Nachbarn, dass Kinder im Garten „20 Minuten hätten stramm stehen müssen, während Chang den Rasen gewässert hat“. Ein Mädchen habe ihnen einmal unter Tränen erzählt, „Opa Peter“ habe mit einem Stock auf ihre Hände geschlagen.
Auch die Kindergärtnerinnen berichten von Schlägen. Die Erzählungen der Kinder seien „absolut glaubwürdig. Sie haben so viele Details geschildert“. Unter anderem hätten Eltern sogar gesagt, wenn das Kind ungehorsam sei, dann müsse es geschlagen werden. Körperliche Spuren von Gewalt bei den Kindern hätten sie allerdings nicht gesehen.
Zum Thema Gewalt heißt es auf der UBF-Homepage: „M. Peter kümmert sich in vieler Hinsicht sehr sorgfältig um alle Kinder der Mitarbeiter. Allerdings lernen die Kinder dadurch, ihm mehr zu gehorchen als ihren Eltern.“ Als er seinen Sohn ermahnt hätte, er dürfe seiner Schwester nicht auf den Kopf schlagen, hätte er nur gesagt, M. Peter hätte ihm erlaubt, dem Mädchen Kopfnüsse zu geben, wenn es ihm ungehorsam sei.
Zum Stand des laufenden Verfahrens wollte sich die Staatsanwaltschaft „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht äußern. Ebenso wenig Changs Anwalt Stefan Hiebl: „Ich gebe keine Erklärung ab.“ Und der Koreaner selbst war für den GA nicht zu sprechen. Auch auf mehrmaliges Klingeln am Donnerstagabend wurde nicht geöffnet, obwohl sicht- und hörbar Leben im Bungalow war. „Er ist momentan nicht da“, sagte schließlich eine UBF-Mitarbeiterin, die zum Zentrum geradelt kam.
Die Geschichte der UBF
1961 gründeten Samuel Chang Woo Lee und die US-Amerikanerin Sarah Barry in der südkoreanischen Provinz Kwangju die spätere University Bible Fellowship (Universität Bibel Freundschaft UBF) als missionarische Studentenbewegung.
Zunehmenden Studentenunruhen sollte eine geistliche Alternative angeboten werden. Das weltweite Zentrum der UBF ist Chicago. Nach ersten Reformversuchen um das Jahr 1976 kam es nach Angaben von Andrew Schäfer, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, zu ersten Abspaltungen in der UBF.
Seit 1969 gibt es die Gemeinschaft auch in Deutschland. Zunächst vor allem von koreanischen Krankenschwestern gegründet und missionarisch unter eigenen Landsleuten tätig, ist sie seit 1978 in der Hochschulevangelisation an vielen deutschen Universitäten aktiv – auch in Bonn.
Nach Angaben von Schäfer wirbt sie – trotz Hausverbots – weiter an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Ein Hochschul-Sprecher sagte allerdings, in jüngster Zeit seien keine Werber mehr aufgefallen. Vor zwei Jahren hätte die Uni verfügt, der UBF keine Räume zur Verfügung zu stellen.
Damals habe die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in einem Rundbrief vor der „an Hochschulen missionierenden bibel-fundamentalistischen Gruppierung University Bible Fellowship“ gewarnt. Die HRK sprach von einer „weltweit sektenähnlichen Gruppierung“.
Der Glaube der UBF
Grundlage ihres Glaubens, so die UBF, sei die Bibel. „Wir glauben, dass die Bibel das durch den Heiligen Geist inspirierte Wort Gottes ist. Die Bibel stellt für uns den Maßstab des Glaubens und Handelns dar. Wir bekennen uns zum Apostolischen Glaubensbekenntnis.“
Nach Angaben des Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche im Rheinland, Andrew Schäfer, gibt es keine nennenswerten Gespräche zwischen der UBF und christlichen Kirchen. Mit Hilfe ihrer „Hirten“ suche die UBF bewusst einen persönlich-intimen Zugang zu den Menschen, oder wie es im UBF-Jargon heißt, den „Schafen“.
Die UBF praktiziert das Zweierbibelstudium: Jeder sei ein Schüler, jeder sei ein Lehrer, sage die Gemeinschaft. Schäfer glaubt, dass das Zweierbibelstudium Konfliktpotenzial birgt. Die Organisation Hirte und Schaf, so die Hochschulrektorenkonferenz, berge die Gefahr der Abhängigkeit, zumindest für labile Personen, zum Beispiel Studierende in Prüfungssituationen.
Die laut Schäfer „hierarchisch organisierte Organisation“ der Hirten trägt zu dem Gefühl bei, dass die Schafe in einen Apparat zur Machtausübung hineingeraten. Zum Gemeinschaftsleben gehöre auch das „Sogam“-Geben – eine Art persönlicher Schriftauslegungsakt, der meist ein Schuldbekenntnis, das gruppenöffentlich vorgetragen werde, enthalte. Ein weiterer Aspekt der Glaubens- und Lebenspraxis sei die „Verheiratung“ der Mitglieder.
Der folgende ergänzende Artikel erschien am 30.8.2002 im Bonner General-Anzeiger
„Kinder bedankten sich für Züchtigungen“
Schwere Vorwürfe gegen Leiter der Bonner Universitäts Bibel Freundschaft Peter Chang – Jugendamt sieht „noch keinen Handlungsbedarf“ – Anhörung Changs vor Staatsanwalt
Von Frank Vallender
Bonn. Sie verbrachten ihre Zeit meistens allein in einem Dachzimmer, mussten nach der Schule erst einmal mit knurrendem Magen Hausaufgaben machen, bevor sie die Reste der Erwachsenen zu essen bekamen, und für ihre Züchtigung mit Stockschlägen hatten sie sogar noch dankbar zu sein.
Michael Küsters, 25 und Student in Bonn, war drei Jahre lang Mitglied der Bonner Universitäts Bibel Freundschaft (UBF) und erhebt schwere Vorwürfe gegen deren Leiter, den Koreaner Peter Chang.
„Er leitet keine Glaubensgemeinschaft, sondern betreibt einen Personenkult“, sagt Küsters. Mitglieder der so genannten UBF-Reform bezeichnen ihn als „Satan“, der Unheil über die UBF gebracht habe, wie im Internet unter „www.voy.com/60734/“ zu lesen ist. Auf den Web-Seiten der UBF-Reform finden sich erschütternde Berichte über die Zustände in der Bonner UBF.
Wie berichtet, wurde die Staatsanwaltschaft im Oktober 2001 aktiv und ermittelt gegen Chang wegen des Verdachts der Körperverletzung. Vor allem Kinder sollen unter seinen brutalen Erziehungsmethoden leiden.
Küsters: „Die Pflicht der Eltern war, den Willen ihrer Kinder zu brechen, damit sie Gehorsam lernen. »Die Kinder brauchen das«, sagte Chang, den alle Kinder Opa nannten.“
Wer sich zu viel um seine Kinder kümmerte, galt als familienzentriert und musste Buße tun. Küsters: „»Gott kümmert sich um unsere Kinder«, hieß es.“ Changs eigene Söhne hätten sich im UBF-Kreis sogar für Züchtigungen bedankt.
Michael Küsters gehört zu den wenigen Aussteigern, die offen und schonungslos Kritik an den Methoden der Bonner UBF üben. Andere sind da ängstlicher: Da fast alle Frauen Chang hörig seien, steckten kritik- und aussteigewillige Väter „in einer schweren Bredouille“.
Wenn sie Peter Chang öffentlich kritisieren, drohe ihnen der »Knecht Gottes«, wie sich Chang nennt, dass sich die Frauen von ihnen scheiden ließen. Denn UBF-Mitglieder führten keine normalen Ehen, sondern „sollen den Knecht Gottes mehr lieben als den eigenen Mann/die eigene Frau“.
Peter Chang, der sich auch schon mal „Gott“ hat nennen lassen, wie ein anderes UBF-Mitglied im Internet schildert, ist ein kleiner, rundlicher Mann, der auf Neueinsteiger zunächst einen sehr gemütlichen Eindruck mache, so Küsters.
Chang habe Pharmazie studiert und stamme aus Korea, „was sicher ein Grund für seine Züchtigungsmethoden ist“. Doch selbst in Korea sei die Prügelstrafe vor zwei Jahren abgeschafft worden.
Das Jugendamt ist noch nicht eingeschritten, obwohl Kindergärtnerinnen, die UBF-Kinder betreuen, der Stadt Meldung gemacht haben. „Bislang sieht man im Jugendamt aber keinen Handlungsbedarf“, so eine Sprecherin der Stadt.
Allerdings stehe die Stadt „in bestem Kontakt zur Staatsanwaltschaft und Kripo. Nächste Woche gibt es zudem ein Gespräch mit dem Kindergarten.“
Im Internet ermutigt ein Verfasser vor allem die Frauen der Bonner UBF: „Bitte geht zur Polizei und erzählt eure Geschichte.“ Doch die Ergebung gegenüber Chang ist groß.
Nicht zuletzt, weil „er sich“, so Küsters, „von jedem Mitglied versprechen lässt, dass es den Hals für ihn hinhält, auch wenn es um Fälle geht, in denen Chang selbst mit dem Gesetz in Konflikt gerät“.
Der Student hat einmal miterlebt, wie Mitglieder ein schriftliches Treuegelöbnis vor der Eheschließung vorgetragen hätten. Die Staatsanwaltschaft wird bald Peter Chang zu den Vorwürfen anhören. Chang selbst ist telefonisch nicht zu erreichen, sein Anwalt zurzeit im Urlaub.
Hier noch ein weiterer Artikel, erschienen am 8.10.2002 im Bonner General-Anzeiger
„Unauffällig sein und öffentlich nicht mehr negativ auffallen“
Staatsanwalt wartet auf Erklärung des Leiters der Bonner „Universität Bibel Freundschaft“
Von Dagmar Blesel
Bonn. Im Ermittlungsverfahren gegen Peter Chang, Leiter der Bonner „Universität Bibel Freundschaft“ (UBF), wartet die Staatsanwaltschaft weiter auf eine Erklärung des Koreaners. Sie ermittelt seit fast einem Jahr gegen ihn wegen des Verdachts der Körperverletzung.
Er steht im Verdacht, Kinder durch Züchtigung misshandelt zu haben. Kindergärtnerinnen hatten von Verhaltensauffälligkeiten und Schlägen berichtet. Körperliche Spuren von Gewalt hätten sie allerdings nicht gesehen (der GA berichtete).
„Die Ermittlungen dauern an“, sagte Fred Apostel, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Inzwischen hat sich ein weiterer Zeuge – ein Ex-UBF-Mitglied – gemeldet, der laut Anklagebehörde belastende Aussagen gegen Chang und seine Gruppierung gemacht habe.
Nach GA-Informationen gab es vor kurzem Streit zwischen Chang und dessen Rechtsanwalt Stefan Hiebl. „Das Mandat ist erloschen“, sagte Hiebl auf Anfrage. Ob er oder Chang es niedergelegt haben, wollte er nicht sagen. Der Bonner UBF-Leiter war nicht zu erreichen.
Auf Tauchstation sind offenbar auch viele Mitglieder gegangen. Aussteiger äußern Kritik im Internet nur noch vereinzelt. Unauffällig sein und öffentlich nicht mehr negativ auffallen – das ist offenbar das Motto der UBF im Moment. Dieser Eindruck entsteht auch am Haus der Organisation – zumindest in den vergangenen Tagen herrschte dort völlige Ruhe: Keine abgestellten Fahrräder, wie sonst üblich, weit und breit keine Studenten.
Chang, so erfuhr der GA, kooperiert verstärkt mit Kaleb Hong. Hong, Leiter der UBF Heidelberg, wurde jüngst zum Deutschland-und Europa-Chef ernannt. Deshalb, so glauben Insider, könnte das Zentrum in Köln-Bonn nach Süddeutschland verlegt werden.
(mit freundlicher Genehmigung des Bonner General-Anzeigers)
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