Sunday, May 28, 2017

Brief von Jürgen D. an Peter Chang vom Juli 1996

Den folgenden Brief schrieb Jürgen D., ein langjähriges Mitglied von UBF Bonn, ein Jahr nach seinem Austritt an Peter Chang, seinen früheren Leiter. Anzumerken ist, dass Jürgen D. einige Jahre zuvor die offizielle Gegendarstellung der UBF zu den Vorwürfen des Sektenbeauftragten Pastor Keden in Bonn geschrieben hatte. Inzwischen warnt Jürgen selber entschieden vor UBF und macht in diesem Brief deutlich, dass er selbst ein Opfer der psychologischen „Verteidigungs- und Interpretationsmechanismen“ gewesen ist, die für UBF-Mitglieder so typisch sind.
19. Juli 1996
Lieber Dr. Dae-Won [Peter] Chang,
inzwischen ist es ziemlich genau ein Jahr her, seit ich mich entschieden von UBF lossagte. Diesen Zeitpunkt machte ich damals daran fest, dass ich Ende Juni 1995 das letzte Mal eine UBF-„Sonntagsbotschaft“ las. Der Prozess meiner Loslösung hatte selbstverständlich viel früher eingesetzt. Nur dauerte es noch einige Zeit, bis ich diesen Schritt endgültig vollziehen konnte. Die Sprachlosigkeit, die mich gegenüber den maßgeblichen Leuten im Blick auf eine Trennung von UBF befiel, konnte ich bis heute kaum durchbrechen. Das mag mir als Schwäche, sogar als Zeichen der Unentschlossenheit ausgelegt werden. Dennoch bedaure ich dieses Schweigen nicht.
Bis heute war es vor allem eine Frage, die mich immer wieder davon abbrachte, mich zu meinen neunjährigen Erfahrungen mit (den Menschen in) UBF zu äußern. Die Frage lautete: Was bringt’s, wozu soll ich da etwas sagen, wenn es doch nicht „ankommt“? Mir sind die Verteidigungs- und Interpretationsmechanismen nur zu gut bekannt, die bei UBF-Leuten einsetzen, sobald „das Werk Gottes“ infragegestellt wird. Habe ich mich doch jahrelang selber ihrer bedient. Ist es nicht so, dass ein „Abtrünniger“ sich durch seinen Austritt selbst disqualifiziert hat und deshalb nicht mehr ernstgenommen (!) werden braucht? Etwa nach dem Muster: „Der (oder die) hat ja nie richtig Buße getan. Der (die) hat immer noch ein ungelöstes Sündenproblem. Klar, dass der (die) jetzt so denkt/spricht.“
Einfach und klar, nicht wahr? Ich gebe zu, dass ich mir durch solche Schnellschüsse selber manch (unbequemes) Nachdenken erspart habe. Und ich weiß aus Gesprächen nach dem Weggang anderer vor mir, dass in UBF bei der überwiegenden Mehrheit obige Vorstellung vorherrscht. Also wozu sich zu UBF äußern? Um Ungläubigen Material für deren wenig hilfreiche Anti-UBF-Veröffentlichungen zu liefern? Nein. Sollte ich mich jemals zu UBF äußern, dann aus bibelgläubiger Sicht. Als ich über diesen Punkt weiter nachdachte, wurde mir bewusst, dass gerade in der Haltung gegenüber Andersdenkenden in UBF etwas zum Tragen kommt, das die Gruppe in einen gefährlichen Widerspruch zur biblischen Botschaft stellt. Aus diesem Grund schreibe ich dir diesen Brief.
Nein, zugegeben hätte ich so eine Aussage früher nie. UBF mit der Bibel im Widerspruch? Wer so etwas behauptet, kennt (die Menschen bei) UBF und deren Beweggründe nicht. Der kennt die Bibel auch nicht, kennt Gottes Geist nicht, und von Jesus Christus kann der ebenfalls nichts wissen! Davon war ich überzeugt. Und genau das ist die große Gefahr, die von UBF ausgeht! Der einzelne UBF’ler wird natürlich niemals behaupten, dass nur seine „Gemeinde“ im Besitz der biblischen Wahrheit sei. Darauf kommt es aber auch gar nicht an, was der Einzelne zur Existenzberechtigung anderer christlicher Gemeinden sagt. Entscheidend ist doch das geistige Klima, in dem das UBF-Mitglied sich bewegt. Und da sieht es genau so aus: UBF über alles!
Selbstverständliche ist dies „Gottes Werk“. Wer jedoch genauer hinsieht („genaues Hinsehen“ in diesem Sinne ist durch die Zugehörigkeit zu UBF nicht möglich!) stellt fest, dass sich zwischen der höchsten Autorität, auf die man sich beruft, und dem einzelnen Gläubigen eine Art „Zwischenebene“ befindet. Diese „Zwischenebene“ besteht aus einer unübersehbaren Ansammlung von „Auflagen“. Diese sind keineswegs nur „christlich“ oder biblisch fundiert. Vielmehr setzen sie sich aus Tradition, Kultur, Gewohnheit, Organisation/Hierarchie und sogar Machtpolitik zusammen. Menschliches eben. Dieser Umstand mag zwar nirgendwo niedergelegt oder sonst wie vereinbart sein. Dennoch führt kein Weg daran vorbei: Ohne diese Auflagen „im Glauben“ anzunehmen und fraglos zu bejahen, kann der Einzelne das „Werk Gottes“ nicht wirken.
Die Folge hiervon ist eine krasse Abgrenzung zwischen denen „drinnen“ und denen „draußen“: Zwischen denen, die die Vorgaben für das so definierte „Werk Gottes“ erfüllen und denen, die dies nicht tun. Dabei ist es gar nicht so wichtig, ob ich diese „Auflagen“ freiwillig erfülle, wie ich immer wieder von mir versicherte. Entscheidend ist doch, dass es diese „Zwischenebene“ überhaupt gibt! Denn sie setzt jeden, der zu UBF dazu gehören will, unter starken Druck, entweder sich anzupassen, mitzumachen eben, oder sich selbst zu disqualifizieren. In der Tat war ich zu keinem Zeitpunkt in der Lage zu unterscheiden zwischen dem inneren Wunsch, Gott zu dienen, und dem Verlangen, zu denen zu gehören, die Gott in so vorbildlicher Weise dienten. Indem sie nämlich regelmäßig ihre Stellungnahmen schrieben und vortrugen, mit den vorgeschriebenen Bibelstudien-, Gebets- und anderen Versammlungen konform gingen, verschiedene „Dienste“ verrichteten und diverse „Trainingspunkte“ erfolgreich bewältigten. Unter allen Umständen wollte ich vermeiden, „Unglauben“ und Untüchtigkeit für das „Werk Gottes“ zu demonstrieren, indem ich die Auflagen nicht erfüllt hätte!
Wer bei einem solchen „Glaubens“-System noch von sich behauptet, er (sie) diene Gott, macht sich selbst was vor. Wo doch die Grenzen längst verwischt sind zwischen dem, was Gott von mir will, und dem, was ich mir selbst auferlegt habe: Um bloß nicht Gottes Willen zu verfehlen. Um auf alle Fälle einer von denen zu sein, die „Gottes Werk“ wirken. Die Zugehörigkeit steht ja gleichbedeutend damit, Gottes Willen zu erfüllen. Spätestens, als mir dies aufgegangen war, hatte ich mich an UBF „ausgeliefert“. Im Glauben, auf diese Weise am besten Gottes Willen zu tun. Die Formel: „UBF-Glaube = Bibel-Glaube“ stimmt jedoch (glücklicherweise!) nicht. Das wusste ich jedoch erst, nachdem ich über die oben geschilderten Zusammenhänge tiefer nachdachte. Zugegeben, es scheint Schnittmengen zu geben. Den Glaubens-Boden der Heiligen Schrift hat auch UBF jedoch längst verlassen. Allerdings dauerte es sehr, sehr lange, bis ich aufwachte. Selbst als ich aufgefordert wurde, Menschen, die durchaus am Glauben interessiert waren, „fortzuschicken“, weil sie nicht in das UBF-Konzept passten, blieb ich verblendet.
Sobald ich den – salopp gesagt – UBF-Glaubens-Maßstab verinnerlicht hatte, empfand ich jede Kritik von „draußen“ als Bedrohung des eigenen Glaubens, wobei ich dann die oben erwähnten „Verteidigungs- und Interpretationsmechanismen“ in Gang setzte. Nicht, dass mein vermeintlicher Glaubens-Stand wirklich hätte „bedroht“ werden können. Mir war jedoch klar, dass der Widersacher nichts unversucht lässt, mich, aber auch „das Werk“ anzugreifen. Da dieser „Angriff“ von überall her und zu jedem Zeitpunkt kommen konnte, fiel die kritische Äußerung eines Draußenstehenden vorsichtshalber auch darunter.
Auf diese Weise habe ich mir jahrelang jedes kritische Hinterfragen – selbst bei äußerst zweifelhaften Auslegungen und Ungereimtheiten – selbst verboten. Niemals hätte ich zugestimmt, wenn jemand meinen Glauben, Gottes Werk zu wirken, mit Worten wie im obigen Absatz erklärt hätte. Nein, ich wusste doch wohl am Besten, warum ich mein Glaubensleben so führte, wie ich es tat! Dass ich dabei zufällig genau mit dem übereinstimmte, was auch von der UBF-Leitung als die rechte Form der Glaubensausübung definiert wurde, bestätigte mir nur meinen Weg.
Entscheidend war meine Überzeugung, dass dies alles von Gott kommen müsse. Wenn es Gottes Wille war, dass ich nach der Bekehrung mein neues Leben auf genau diese Weise verbringen sollte, dann wollte ich das auch tun, mit großer Dankbarkeit. Wenn auf diesem Weg irgend etwas nicht in Ordnung sein sollte, dann konnte das doch nur an meiner eigenen Sünde liegen. Niemals hätte ich mich deswegen einfach zurückgezogen. Hatte ich mir doch selber alle Brücken aus UBF heraus abgebrochen. Denn das Verlassen von UBF war für mich gleichbedeutend mit dem Verlassen des Glaubens und des Willens Gottes für mein Leben. Das wollte ich auf keinen Fall zulassen. Alles andere würde Gott schon richten. Auch die Fehler oder Mängel anderer Gläubiger würde Er zu meinem und zum Besten des ganzen „Werks“ gebrauchen! Bald benötigte ich gar keine Rechtfertigung meiner eigenen Lage mehr. Es war doch alles so sonnenklar!
Bei einer solchen Überzeugung gibt es selbstverständlich keinen Raum, einen anderen Weg zu gehen. Wozu auch, wenn doch alles „in Ordnung“ ist, geistlich und biblisch gesprochen. Scheinbar. In einem Klima von Selbst-Gewissheit über einen Weg, den ich innerhalb einer von Gott eingesetzten und von Ihm geführten Organisation gehe (es ist ja „Gottes Werk“!) konnte ich unmöglich Selbstkritik zulassen. Was aber, wenn Gott mich eindeutig einen anderen Weg führt, so, wie ich es in dem vergangenen Jahr erlebt habe? Wenn Er mir geduldig und nachdrücklich zeigt, dass ich nun genau diesen Weg gehen soll, mehr noch, dass eine Fortsetzung des bisherigen Weges verkehrt ist und Er es ist, Der mich rechtzeitig da herausführte? Was, wenn sich mir eine ganz andere Sicht eröffnet, eine, die ich vorher nie zugelassen hätte (siehe oben), die dadurch aber nicht weniger wert ist? Was dann?
Klargestellt werden muss: Es steht mir nicht zu, irgend jemanden zu verurteilen. Sehr wohl aber ruft mich die Heilige Schrift (und mein Verantwortungsbewusstsein) dazu auf, alle Dinge zu prüfen. Und sie gemäß dem, was ich dabei erfahren und erkannt habe, zu beurteilen! Notfalls sogar über mein Gefühl hinweg. Brüderliche Gemeinschaft steht eben nicht über der Wahrheit. [In UBF ist es am wichtigsten, dass Mitglieder den Leitern gehorchen und in der Gemeinschaft mitarbeiten, auch wenn sie meinen, dass die Lehren oder Praktiken nicht richtig und im Einklang mit der Bibel sein könnten. Die „Organisation“ kommt immer zuerst, auch vor der Wahrheit. Um ihr Ansehen zu wahren, darf deswegen in UBF auch gelogen werden.] Vielmehr muss ich, sobald nicht mehr Wahrheit, sondern Gefühle (der Gemeinschaft und Zugehörigkeit) um jeden Preis an erster Stelle stehen, meine Konsequenzen ziehen [aus UBF austreten]. Das ist schmerzhaft. Es geht auch manches dabei kaputt [insbesondere Beziehungen]. Aber mehr noch wird zerstört, wenn alles beim Alten bleibt.
Bin ich deswegen undankbar, weil ich solche Dinge beim Namen nenne? Vergesse ich bei all dem, was Gott in meinem Leben getan, wie Er mich geführt und sogar meinen Aufenthalt in einem „Werk“ gebraucht hat, das ich heute als ein Instrument der Verführung bezeichne? Ist denn nicht die Erinnerung daran genug, um zu sagen: „Hier hat Gott mich hingestellt. Darum bleibe ich! Egal, was passiert.“? Ein immenser moralischer Druck lastet auf jedem, der der UBF-Gemeinschaft den Rücken kehren will. Das hat nichts mehr mit göttlicher Berufung im Sinne der Bibel zu tun. Die bewusste Bindung an das Wort Gottes in freiwilligem Gehorsam ist ganz was anderes! Ist das die Freiheit der Kinder Gottes? Einen Weg, der sich in hohem Maße als bedenklich und schließlich als falsch erwiesen hat, deshalb weitergehen zu müssen, weil mein UBF-geleitetes Gewissen mir gebietet: „Durch den Glauben“ Zähne zusammenbeißen und „weiterziehen“? Nein!
Für mich steht nach eingehender Prüfung fest: Da, wo die bereits erwähnte „Zwischenebene“ die Beziehung des Glaubenden zu seinem Heiland (oft in ganz subtiler Art) prägt und bestimmt, hat UBF – und alle, die dieses „Werk“ mittragen und unterstützen – sich vom Boden der Bibel entfernt! Die Probe aufs Exempel durfte ich am eigenen Leib erfahren, als ich nach einer Zeit der UBF-Abstinenz anfing, an meiner Errettung zu zweifeln. Der geistliche Dreiklang Erlösung-Berufung-Glaubensausübung ist so stark von UBF besetzt, dass alles zusammenzubrechen scheint, wenn die Gruppe wegfällt [selbst die Identität als Christ]. Und dafür gibt es in der Bibel absolut gar keine Grundlage! Nochmal: Zahllose traditionell, kulturell, organisatorisch, hierarchisch und machtpolitisch bedingte „Auflagen“ für das Glaubensleben bestimmen, wo’s langgeht. Weil dies so ist, kann kein Mensch unterscheiden, was bei dem, das in UBF geglaubt, gefordert und gehorcht wird, wirklich dem Wirken des Geistes Gottes – und was Menschensatzungen und Menschenwerk entspricht.
Wer jetzt behauptet: „Es gibt keine perfekte Gemeinde. Wir sind alle mangelhafte Menschen. Aber Gott gebraucht unsere Schwachheit, um Seinen Namen zu verherrlichen.“ entlarvt sich als Heuchler. Tatsächlich wird in UBF (offen und unterschwellig) das Selbstverständnis betrieben, eine göttliche Elitetruppe zu sein, die in ganz besonderem Maße Seinen Willen erfüllt. Jeder UBF’ler/Leiter wird hier eine Schuld weit von sich weisen. Entscheidend ist jedoch, was beim einzelnen UBF-Mitglied ankommt. Und in welchem Klima die neu Hinzugekommenen „aufwachsen“. Wirklich akzeptiert werden kann der Schritt, über UBF nachzudenken (und ihr konsequenterweise den Rücken zu kehren), deshalb nicht, weil dies als eigenmächtiges Handeln interpretiert wird. Wer so handelt, kann ja gar nicht Gottes Willen tun. Denn er steht durch seinen Befund im Widerspruch zu Gottes offenbartem Willen und Seiner Berufung. Alles außerhalb UBF kann darum zwangsläufig höchstens eine Art Glaubensleben auf „niedrigerem Niveau“ sein. Wenig besser, als ganz vom Glauben abgefallen zu sein.
Weiß ich nicht, was ich sage? Ich selbst habe mich doch der wahnsinnigen Selbstüberschätzung schuldig gemacht, dass es wahres Glaubensleben nur in UBF geben würde („wenn dies nicht Gottes Kinder sind, gibt es keinen Gott“). Bis heute werden mir die obigen Zusammenhänge in der einen oder anderen Art nahegelegt: „Du bist doch berufen. Solange Du Dich außerhalb der Berufung bewegst, kannst Du zwar sagen, was Du willst. Es entspricht jedoch nicht dem Willen Gottes.“ Hier habe ich nur einen kleinen Ausschnitt von dem angesprochen, warum Glaube (als Vertrauens- und Gehorsamsäußerung gegenüber dem Gott der Bibel) in UBF unmöglich ist. Nun muss ich einen Schritt weiter gegen. Denn die „Botschaft“ ist noch nicht angekommen. Also: Vor UBF warne ich alle, die ihr Leben Jesus Christus übergeben haben, ganz entschieden! Ich weiß, dass du einen Schritt, wie ich ihn getan habe, nicht tun kannst. Auch mir war es unmöglich. Es war allein Gottes Gnade, die mir solches schenkte. Möge der Herr noch vielen, die in echter Freiheit Ihm nachfolgen wollen, dazu verhelfen. Bitte sende mir keine UBF-Botschaften mehr.
Dein Jürgen

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